Die Stadt München könnte mit dem Masterplan Solares München eine internationale Vorreiterrolle einnehmen. (Foto: Ian Kelsall / Unsplash)
Mit dem Masterplan Solares München möchte die bayerische Landeshauptstadt langfristig dafür sorgen, dass rund 25 Prozent des Stromverbrauchs der Stadt über Solarstrom abgedeckt wird. Das soll der „Beginn eines Solar-Jahrzehnts“ in München sein und könnte der bayerischen Landeshauptstadt eine internationale Vorreiterrolle im Solarsektor bescheren.
Mitte August hat die Bundesregierung im Solarsektor nachgelegt. Sie beschloss das Solarpaket I, mithilfe dessen der Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen entbürokratisiert und der Zubau von Photovoltaik beschleunigt werden soll. Teil der „Vielzahl“ von darin verankerten Maßnahmen ist es, PV auf Dächern und Freiflächen schneller auszubauen.
Wirtschafts und Klimaschutzminister Robert Habeck verdeutlichte in einer Pressemitteilung, wie ambitioniert die Pläne der Bundesregierung sind: „Wir müssen das Tempo verdreifachen und bis 2026 auf einen jährlichen Zubau von 22 Gigawatt kommen um unsere Ausbauziele zu erreichen.“ Zur Einordnung: 2022 lag der Zubau nur bei 7,5 Gigawatt. Der Zubau soll sich etwa zur Hälfte aus Freiflächen und zur anderen Hälfte aus Dachanlagen ergeben.
Masterplan Solares München: So lauten die ambitionierten Ziele
Die Stadt München war diesbezüglich noch etwas schneller. Schon Ende Juni hatte der Ausschuss für Klima- und Umweltschutz des Münchner Stadtrats den „Masterplan solares München“ beschlossen. Dieser strebt laut Pressemitteilung einen weitgehenden Photovoltaik-Ausbau an, so dass „langfristig rund 25 Prozent des Stromverbrauchs der Stadt mit innerstädtischen Solaranlagen gedeckt werden können“.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) verwies darauf, dass die bayerische Landeshauptstadt eine der ersten deutschen Kommunen sei, die damit das Thema Photovoltaikausbau „ganzheitlich“ denke. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) will mit dem Masterplan Solares München gar den „Beginn eines Solar-Jahrzehnts“ einläuten, wie sie in der Süddeutschen Zeitung erklärte. Das große Ziel sei, in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden.
Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, soll in einer „Transformationsphase“ bis zum Jahr 2030 der PV-Zubau mit einer Wachstumsrate von 40 Prozent auf rund 100 Megawatt Peak (MWp) pro Jahr gesteigert werden. Diese Zubauleistung soll so lange beibehalten werden, bis eine PV-Anlagenleistung von rund 4 Gigawattpeak (GWp) mit einem jährlichen Ertrag von etwa 3 Terawattstunden (TWh) pro Jahr garantiert wird.
Auf den Münchner Dächern liegt ein großes Solar-Potential, das die Stadt mit dem Masterplan Solares München besser ausschöpfen möchte. Im Münchner Schurrweg wurde dieses Potential bereits genutzt - mit Solardachziegeln (Foto: Franz Kimmel)
Viele Sonnenstunden - Stadtwerke nehmen wichtige Rolle ein
Um Solarenergie in diesen Größenordnungen gewinnen zu können, werden im dicht besiedelten Münchner Stadtgebiet laut Masterplan rund 20 Prozent der Grundstücksfläche für Module benötigt. Da etwa 40 Prozent der Siedlungsflächen aus verschiedenen Gründen, wie etwa Denkmalschutz, Verschattung, der Gebäudestruktur im Bestand oder anderen Belange wie der Erhalt der Biodiversität, nicht dafür zur Verfügung stehen, müssen potentiell mögliche Flächen wie Dach- und Fassadenflächen oder Parkplatzüberdachungen konsequent genutzt werden.
Welche guten natürlichen Voraussetzungen die Stadt München für die Solarenergiegewinnung mitbringt, macht eine vom ZDF in Auftrag gegebene Studie des Institut Prognos deutlich. Demnach kommt die bayerische Landeshauptstadt auf 1.756 Sonnenstunden pro Jahr, was Platz eins unter den deutschen Städten bedeutet. Im Schnitt sind das knapp fünf Stunden pro Tag. Für die Studie, die auf Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) basiert, berücksichtigte Prognos die Mittelwerte von 30 Jahren.
Eine wichtige Rolle bei der Realisierung des Masterplans kommt den Stadtwerken zu, die laut SZ für die Hälfte der neuen Photovoltaik-Kapazitäten sorgen sollen. Die Stadt hofft, dass für die andere Hälfte private Initiativen sorgen. Die Stadtwerke hatten bereits Anfang des Jahres einen Solarausbau verkündet, laut Abendzeitung wollen sie auf 500 privaten Eigenheimen Solaranlagen errichten und auch spezielle Flächen, wie jene auf der Stadtwerke-Zentrale, auf einer großen U-Bahn-Wartungshalle in Fröttmaning sowie auf den Dächern des Busbahnhofs Olympiazentrum Solarplatten installieren.
Dächer nehmen wichtige Rolle im Masterplan Solares München ein
Dass sich einiges tun muss, wenn München seine ambitionierten Solar-Ziele auch erreichen will, wurde bereits im Januar deutlich. Da ließen die Münchner Stadtwerke in der AZ verlauten, dass momentan nur drei Prozent des Münchner Strombedarfs durch Solar gedeckt werden. Gerade was die Stromerzeugung auf Dachflächen betrifft, hat München noch einiges aufzuholen. Laut der Süddeutschen Zeitung schafft es die bayerische Landeshauptstadt in Sachen Dach-Photovoltaik bezogen auf die Gesamtfläche nicht in die Top 20 der bayerischen Städte. Deshalb werde der überwiegende Anteil des möglichen Zubaus auf Dachflächen passieren, wo die Stadt laut Daten von Prognos ein hohes Potenzial hat. Genauer gesagt: „Fast zwei Drittel des PV-Zubaus wird dabei auf Wohngebäude entfallen“, heißt es im Masterplan.
Damit der Masterplan Solares München seine Wirkung entfalten kann, dreht die Stadt an verschiedenen Schrauben. Um den Münchner Bürger:innen beim Thema Solarenergiegewinnung zur Seite zu stehen, greift sie auf unterschiedliche Kanäle zu. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Bauzentrum München, wo kostenfreie Vorträge und Beratungen sowie Infoabende organisiert werden. Das Bauzentrum soll auch mit dem sogenannten “Wattbewerb” vernetzt werden, einem bundesweiten Contest zum Ausbau der Photovoltaikleistung, und mit der Programmreihe „Wattbewerb für Bürger*innen“ Informationen rund um Photovoltaik liefern.
Geplant ist auch, Infomaterial zu erstellen, das sich an Endverbraucher:innen, aber auch an Fachexpert:innen wie Architekt:innen, Planer:innen und ausführende Fachbetriebe richten soll. Die Stadt München hat für einen derartigen Leitfaden das Format einer digitalen „Loseblattsammlung“ mit Autor:innenpapieren zu relevanten Aspekten und Ausführungsbeispielen geplant. Dieser „Leitfaden Masterplan Solares München“ soll vom Referat für Klima- und Umweltschutz „aufgrund der zu erwartenden dynamischen inhaltlichen Entwicklung“ auf Stand gehalten werden.
München möchte es mit dem Masterplan Solares München langfristig schaffen, 25 Prozent des Strombedarfs über Solarstrom abzudecken. (Foto: Jan Antonin Kolar / Unsplash)
Das bedeutet der Masterplan Solares München für Solaranlagen in München
Mit der Kampagne „Re:think München“ sollen die Münchner Bürger:innen allgemein für den Klimaschutz begeistert werden. Dabei spielt die Quartiersarbeit eine wichtige Rolle, sprich das vor Ort auf Menschen zugehen, mit Aktionen sowie Service- und Informationsangeboten, wie zum Beispiel Energieberatungen oder Förderprogramme. Energieberater:innen sollen Immobilienbesitzer:innen zudem mit „aufsuchender Beratung“ über energetische Sanierung, Wärmewende und die Nutzung solarer Energien informieren.
Die Ergebnisse der Solarpotenzialanalyse, die für jedes Dach Münchens durchgeführt wurde, sollen in einem interaktiven Solarkataster bereitgestellt werden, um Planer:innen, Berater:innen und Eigentümer:innen einen besseren Zugriff darauf zu ermöglichen. Angedacht ist außerdem, einen Münchner Solararchitektur-Preis einzuführen. Dieser soll alle zwei Jahre vergeben werden und dem Sieger rund 20.000 Euro zukommen lassen. Der Preis, so die Stadt München, sollte offen für alle Bauwerkstypologien sein – vom Wohnungsbau bis zum Infrastrukturbauwerk, vom Gewerbebau bis zum Bildungsbau, von Einfamilienhaus bis zum Sonderbau (Kirche, Museum, Sportstätte).
Über das Förderprogramm klimaneutrale Gebäude (FKG) bietet die Stadt München Beratungen zu den Themen Photovoltaikanlagen, Mieterstrom bzw. Direktverkauf sowie Stecker-Solargeräte (auch für Mieter) an. Um für Gebäudeeigentümer:innen Anreize zu schaffen, sieht der Masterplan beispielsweise vor, dass bei einer installierten PV-Leistung bis ca. 10 kWp und einem voraussichtlichen Auftragswert unter 5.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) ein Direktauftrag möglich ist und somit kein Vergabeverfahren durchlaufen werden muss.
Die Stadt München sieht in dem Masterplan auch „Chancen für die lokale Wirtschaft und das Fachhandwerk“, da bei einer Verachtfachung des PV-Zubaus auf 100 MWp die Investitionskosten bei rund 250 Millionen Euro pro Jahr liegen würden. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 wurden nur rund 30 Millionen Euro für PV-Installationen investiert. Über einen Runden Tisch will sie auch das Thema Fachkräftemangel adressieren.
Nicht nur Solar in München: Was andere deutsche Großstädte vorhaben
München ist nicht die einzige deutsche Großstadt, die eine Energiewende mit Solarenergie vorantreiben will. Berlin hat bereits 2020 den Masterplan „Solarcity“ beschlossen, um den Photovoltaik-Ausbau zu beschleunigen. Dieser verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2050 25 Prozent des gesamten Strombedarfs der Hauptstadt zu decken, wofür bis dahin insgesamt 4,4 Gigawatt installierte PV-Leistung erreicht werden müssen. Anfang 2022 sei man dafür auf Kurs gewesen, teilte die Berliner Senatsverwaltung mit, da 2020 rund 1.500 PV-Anlagen neu installiert worden seien, was eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2019 bedeute. Seit dem Jahr 2023 ist zudem Solarenergie in Berlin für Neubauten und Dachsanierungen verpflichtend vorgegeben.
Ähnliche Solaranlagen wie jene auf der BMW Welt in München (links im Bild) sollen in der bayerischen Landeshauptstadt noch entstehen. (Foto: Gilbert Sopakuwa / flickr)
Ähnlich wie in München wird auch in Berlin auf interaktive Veranstaltungsformate, wie die erste öffentliche Solarcity-Fachkonferenz, Workshops zur Einbindung des Handwerks, der Industrie und des Handels, Wettbewerbe für gelungene Solarprojekte gesetzt.
Die Stadt Hamburg hat mit dem „Hamburger Solaratlas“ ein Dachflächenkataster erstellt, in dem Dachflächen für einen Teil der Hamburger Stadtfläche aufgenommen und nach Solareignung eingestuft sind. Darüber können sich interessierte Dachflächenbesitzer:innen oder Investor:innen informieren und die Solar-Eignung der Dächer herausfinden. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gibt es mittlerweile eine Solarpflicht auf Parkflächen.
Bayerische Landeshauptstadt nimmt Vorreiterrolle mit dem Masterplan Solares München ein
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell, der zu den Vätern und Müttern des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000 gehört und mittlerweile die Energy Watch Group leitet, ein unabhängiges, gemeinnütziges, globales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern, traut München mit diesem Schritt zu, eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen, da der Masterplan zu den „ehrgeizigsten Plänen für den Ausbau der Solarenergie in deutschen und europäischen Metropolen“ gehöre.
Fell betonte auf seiner Webseite, dass der Münchner Masterplan „nicht nur für deutsche Städte, sondern auch für europäische Städte von Lissabon bis Warschau und von Dublin bis Bukarest beispielhaft sein“ sollte. Falls die jährliche Wachstumsrate von 40 Prozent eingehalten werden kann, könne die Erfüllung von 25 Prozent innerstädtisch erzeugten Solarstrom „auch viel schneller als bis 2050“ erreicht werden, schrieb er. Fell ist zudem überzeugt davon, dass der Masterplan „spürbare Auswirkungen“ auf die Stadtplanung und Architektur haben wird.
Erste erfreuliche Nachrichten gab es bereits Mitte September. Da teilte die Stadt München mit, dass der Zubau von PV-Anlagen in München Anfang September bereits bei 20 Megawatt Peak (MWp) lag und somit das Jahresziel von 15 MWp schon deutlich übertroffen wurde. Jedes Megawatt mehr sei eine „sinnvolle Investition in die Zukunft“, erklärte Christine Kugler, die Referentin für Klima- und Umweltschutz.