Photovoltaik: Welche Rolle wird die Sonnenenergie in Zukunft in unserem Alltag spielen?

Photovoltaik: Welche Rolle wird die Sonnenenergie in Zukunft in unserem Alltag spielen?

Die Zukunft der Photovoltaik liegt auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. (Bild: Kelly via Pexels)

Wie schnell sich die Priorität „autarke Stromproduktion“ in Deutschland verändern kann, hätte vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kaum jemand vermutet. Im Jahr 2022 wurde auf schmerzliche Art und Weise deutlich: Nicht „nur“ beim Thema Klimaschutz, sondern auch in der Gewährleistung der Stromabdeckung muss Solarenergie langfristig eine wichtige Rolle spielen.

Welche Ziele hat die Bundesregierung in Sachen Photovoltaik?

Mit dem sogenannten „Osterpaket“ hat die Bundesregierung im April 2022 beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch „auf mindestens 80 Prozent steigen“ soll. Wie wichtig ihr dieses Ziel ist, machte die Bundesregierung auch dadurch deutlich, dass sie das Paket als „größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahrzehnten“ bezeichnete.

Das Paket sei der „Beschleuniger für den Ausbau der erneuerbaren Energien“, erklärte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. Die Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien werde verdreifacht – zu Wasser, zu Land und auf dem Dach. Das solle dabei helfen, die CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent zu drosseln.

Was leistet Photovoltaik heute schon?

Photovoltaik ist jetzt schon relevant in seinem Beitrag zur Stromversorgung. 2021 konnten laut Fraunhofer Institut 9 Prozent des Brutto-Stromverbrauchs in Deutschland über PV gedeckt werden – mit einer Stromerzeugung von 50 Terawattstunden (TWh). 

Damit lag der Anteil des durch PV gedeckten Stromverbrauchs an zweiter Stelle nach Windenergie zu Land und etwa gleichauf mit der Deckung des Stromverbrauchs durch Energiegewinn aus Biomasse. An sonnigen Tagen decke Strom aus Photovoltaik-Anlagen sogar zwei Drittel des Strombedarfs, so das Fraunhofer Institut. Insgesamt konnten im Jahr 2021 42 Prozent des deutschen Strombedarfs über erneuerbare Energien gedeckt werden.

So viele Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente konnten durch erneuerbare Energien vermieden werden
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So viel Treibhausgas-Emissionen konnten über die Jahre durch die Nutzung erneuerbarer Energien vermieden werden. (Quelle: Umweltbundesamt)

Was ändert sich für Photovoltaik durch das EEG 2023?

Im Oktober 2022 passte die Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an, damit kurzfristig noch mehr Strom auf Basis von Photovoltaik (PV) und Biogas zur Verfügung steht. Das sogenannte EEG 2023 setzt damit auf einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. 2022 sollen sieben Gigawatt (GW) an neuer Photovoltaik-Anlagenleistung ans Netz gehen, im kommenden Jahr schon neun GW. Ab 2026 lautet das ambitionierte Ausbauziel: 22 Gigawatt neue Anlagen.

Warum wird Photovoltaik als „der neue König“ bezeichnet?

Welch zentrale Rolle im Rahmen der erneuerbaren Energien die Photovoltaik einnehmen wird, machte Ende November der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, bei einer Veranstaltung des Bundeswirtschaftsministeriums im Auswärtigen Amt in Berlin deutlich. „Photovoltaik ist der neue König“, betonte er, da in 95 Prozent aller Länder Photovoltaik die kostengünstigste Option sei. „Wir sehen derzeit einen enormen Appetit auf saubere Energien“, unterstrich er.

Auch Christoph Kost vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg ist davon überzeugt, dass der Photovoltaik eine zentrale Rolle beim Wandel hin zu sauberer Energie zukommt. „Dadurch, dass Photovoltaik und Windenergie im Prinzip die komplette Energieversorgung in einem Treibhausgas-neutralen System zur Verfügung stellen, sind sie der primäre Energieträger“, erklärte er im Interview mit dem „Deutschlandfunk“. Dort komme in Zukunft die Energie her, „egal wo wir sie nachher verwenden – im Verkehr oder in der Wärme, überall wird auf diese Primärenergie zugegriffen.“

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Im Jahr 2050 könnten - laut Szenario - die Photovoltaikanlagen in Deutschland über eine Leistung von 120 Gigawatt verfügen. (Quelle: Umweltbundesamt)

Die mutigen Pläne der Bundesregierung erfordern große Anstrengungen. Kost rechnet damit, dass bis zum Jahr 2030 alleine bei den Photovoltaikanlagen in Deutschland circa zehn bis 15 Gigawatt bei den Solarmodulen zugebaut werden müssen, „das ist mehr als doppelt so viel wie 2020“. Kost ist aber optimistisch, dass dieser massive Ausbau gelingen kann: „Es sind sehr hohe Mengen, das stimmt, aber das können wir schaffen. Die Industrie ist heute so aufgestellt, dass die Kapazitäten eigentlich vorhanden sind, Module zu produzieren.“ 

Wie groß die Herausforderung ist, zukünftig den gesamten Energiebedarf weitestgehend aus erneuerbaren Energien zu decken, machte auch das Fraunhofer Institut in einer Pressemitteilung deutlich. Es ist davon überzeugt, dass der Übergang „radikal neue Geschäftsmodelle“ erfordere. 

Was kann Agrivoltaik in Zukunft leisten?

Ein solches könnte die sogenannte Agrivoltaik oder Agri-Photovoltaik (Agri-PV) sein, der gleichzeitigen Nutzung von Landflächen sowohl für die photovoltaische Stromerzeugung als auch für die Landwirtschaft. Dadurch steigert Agri-PV die Flächeneffizienz und ermöglicht den Ausbau von PV bei gleichzeitigem Erhalt landwirtschaftlich nutzbarer Flächen.

Agrikultur und Photovoltaik können problemlos koexistieren.
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Agrikultur und Photovoltaik können problemlos koexistieren. (Bild: Frank Köster-Düpree via Unsplash)

Dabei gibt es unterschiedliche Optionen. Eine ist, die Abstände zwischen den PV-Modulen so groß zu lassen, sodass die Zwischenflächen bewirtschaftet werden können. Eine andere ermöglicht PV-Module, die senkrecht wie ein Zaun aufgestellt werden können. Zur Verwendung kommen dabei sogenannte “bifaciale Glas-Glas-Module”, welche das Sonnenlicht sowohl von der Vorder- als auch von der Rückseite nutzen können.

Die dritte Option ist das Errichten von PV-Modulen in mittleren oder größeren Höhen, wodurch sie als eine Art Überdachung für die darunter liegenden Pflanzen dienen. Denkbar sind laut Expert:innen sogar Höhen von bis zu sechs Metern, wodurch sogar Ackerbau und der Einsatz des dafür nötigen landwirtschaftlichen Geräts möglich wäre. Auch bei dieser Variante bieten sich bifaziale Module an, da diese sogar die vom Boden reflektierten Sonnenstrahlen zu Strom verarbeiten können. 

Expert:innen berichten zudem, dass sich für bestimmte Pflanzenarten durch eine lockere Beschattung mit PV-Anlagen sogar erhöhte oder zumindest keine niedrigeren Ernteerträge ergeben. Das soll speziell für großblättrige Pflanzen wie Spinat, Salat oder Kartoffeln gelten, aber auch für Äpfel, Beerenobst, Kirschen und Gemüse wie Tomaten oder Gurken. Auch im Weinanbau gibt es großes Potential. „Viele Rebsorten haben durch den Klimawandel zu viel Sonne und zu hohe Temperaturen. Schatten kann hier einige Vorteile bringen“, erklärt Max Trommsdorff, Experte für Agri-Photovoltaik am Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme in Freiburg, gegenüber „dw.com”.

Laut dem Fraunhofer Institut gibt es in Deutschland genügend Flächen dafür, „und zwar ohne nennenswerte Konflikte mit der Landwirtschaft“. Durch die doppelte Flächennutzung bei Agrivoltaik werde zusätzlicher Flächenverbrauch für neue PV-Kraftwerke „deutlich gesenkt oder gänzlich vermieden“. Selbst auf renaturierten Biotop- und Moorflächen könnten so Ökosystemdienstleistungen erbracht werden. Das Fraunhofer Institut bringt in diesem Zusammenhang auch speziell zugeschnittene PV-Anlagen auf künstlichen Seen ins Spiel.

Welchen Beitrag kann schwimmende Photovoltaik leisten?

Damit lässt sich die Klammer zur schwimmenden Photovoltaik schließen, die in Deutschland noch nicht sehr präsent ist. Dabei werden Solarkraftwerke auf dem Gewässergrund verankert und Solarmodule direkt oberhalb der Wasseroberfläche installiert. Interessant ist diese Variante deshalb, da es in Deutschland rund 4500 stehende Gewässer, wie etwa Tagebauseen, Baggerseen oder Stauseen gibt. Da viele davon aus Naturschutzgründen oder wegen Sicherheitsauflagen kaum anderweitig genutzt werden können, wären sie vielfach für schwimmende Photovoltaik geeignet. 

Die Technik bietet gleich mehrere Vorteile: Zum einen gibt es kaum Flächennutzungskonflikte, zum anderen sorgt die Wasserkühlung dafür, dass die Erträge der Solarmodule steigen. Und auch die Gewässer können davon profitieren, da sie durch die Verschattung nicht so sehr erhitzt werden und damit exzessiver Algenbildung entgegengewirkt wird.

Eine ebenfalls interessante Zukunftsvariante der Photovoltaik, die auch das Fraunhofer Institut anregt, ist die Photovoltaik auf Autodächern und Fußwegen. Da es heutzutage möglich ist, auf nahezu jeder Fläche Photovoltaik-Module einzubauen, können auch solche bis vor wenigen Jahren noch quasi undenkbare Wege beschritten werden. Der Autobauer Hyundai etwa bietet bereits ein Solardach mit geringer Leistung als Sonderausstattung an.
Photovoltaik in Verkehrswegen ist in der Fachbranche als RIPV („Road Integrated Photovoltaics“) bekannt. Sie umfasst die Einbettung von Solarmodulen in und an Verkehrswegen. Das kann direkt in Straßen, Fußwegen und Plätzen sein, aber auch in Schienen oder den Verkehrswegen zugeordneten Flächen wie Lärmschutzwänden oder Seitenstreifen.

Wie können selbst Verkehrswege in die Photovoltaik-Zukunft integriert werden?

Auch Parkplätze können für Photovoltaik-Zwecke genutzt werden.
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Auch Parkplätze können für Photovoltaik-Zwecke genutzt werden. (Bild: Kindel Media via Pexels)

Was tut die Politik für Photovoltaik – auf Bundesländerebene und global?

In Deutschland wird auch auf Länderebene an der Energiewende gearbeitet. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte Mitte November 2022, in seinem Bundesland sei es nun Pflicht, „dass auf jedes neue Gebäude eine PV Anlage muss“. Zuvor galt die Pflicht lediglich für neue Nichtwohngebäude. Die Maßnahme werde bewirken, „dass jetzt jedes Jahr 60.000 PV-Anlagen mit den neu gebauten Gebäuden kommen werden“, unterstrich er – und sprach von „gigantischen Fortschritten“, die so gemacht würden.

Auch global tut sich vieles in diese Richtung. Birol hob in Berlin hervor, dass die US-Regierung mit ihrem Inflation Reduction Act 400 Milliarden Dollar in die Hand nehme, um eine erneuerbare Energieerzeugung und -fertigung, E-Mobilität sowie Batterieproduktion zu fördern. Japans Green Transformation-Programm sowie ehrgeizige Erneuerbare-Ziele in Südkorea, China und Indien gehen laut ihm in dieselbe Richtung.

Welche Forschungsbeiträge leistet Deutschland im Photovoltaik-Sektor?

Um die Photovoltaik noch effizienter zu machen, gibt es auch Forschungsimpulse aus Deutschland. So haben Wissenschaftler:innen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Zuge der Studie „Strongly enhanced and tunable photovoltaic effect in ferroelectric-paraelectric superlattices“ herausgefunden, dass sich der photovoltaische Effekt ferroelektrischer Kristalle in Solarzellen um den Faktor 1.000 erhöhen lässt, wenn drei verschiedene Materialien in einem Gitter angeordnet werden.

Die Ergebnisse könnten zu einer „deutlich höheren Effizienz von Solarmodulen“ beitragen. Aktuell basieren die meisten Solarzellen auf Silizium, doch ihr Wirkungsgrad ist begrenzt. Deshalb wird seit einigen Jahren an neuen Materialien geforscht, etwa an den Ferroelektrika. Im Gegensatz zu Silizium benötigen ferroelektrische Kristalle für den photovoltaischen Effekt keine positiv und negativ dotierten Schichten, was die Herstellung von Solarmodulen wesentlich erleichtern soll. Deshalb sind die Wissenschaftler:innen zuversichtlich, dass das demonstrierte Potenzial des neuen Konzepts für die praktische Anwendung in Solarmodulen genutzt werden kann.

Photovoltaik: Wie fördert die Bundesregierung die Forschung?

Die Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die zu diesem Ergebnis kam, wurde auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Wie wichtig der Bundesregierung die Energieforschung allgemein ist, machen diese Zahlen des Fraunhofer Institutes deutlich: Im Jahr 2020 investierte die Bundesregierung 1,2 Milliarden Euro in die Energieforschung, 86 Millionen Euro davon gingen in die Förderung der Photovoltaik-Forschung.

All das soll mithelfen, ein CO2-freies Energiesystem zu schaffen. Die meisten Emissionen werden durch die erneuerbare Stromerzeugung eingespart, teilte das Umweltbundesamt mit. Aber auch im Wärme- und Verkehrssektor tragen erneuerbare Energien zum Klimaschutz bei. 2021 wurden so 221 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente vermieden.

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