Energie-Wirtschaft: “Wir kommen aus der Krise, wenn wir auf Erneuerbare setzen”

“Unsere Überzeugung ist es, sich nicht zu sehr auf den Import zu verlassen”, sagt Sandra Rostek. (Foto: BEE)

Sandra Rostek ist seit 2009 in unterschiedlichen Funktionen im Energie-Bereich tätig. Im Interview spricht sie über die vielfältigen Vorzüge der erneuerbaren Energien und erklärt, was die Invesitionsstimmung massiv trübt. Außerdem zeigt sie auf, wie wichtig die Teilhabe der Bürger:innen in diesem Bereich ist.

 

 

Interview mit Sandra Rostek, 
Leiterin Politik im Bundesverband Erneuerbare Energie

Steckbrief

Name Sandra Rostek

Alter 41

Profession 
Leiterin der Abteilung Politik im Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), sowie Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie (HBB) und Leiterin des Berliner Büros des Fachverbands Biogas (FvB)

Wohnort 
K.A.

Credo 
Es ist allerhöchste Zeit, dass man das System an den Quellen ausrichtet, die es künftig bestimmen sollen, nämlich an den Erneuerbaren Energien.

Beispiele 
Bioenergiedörfer, Energie-autarke Dörfer, Freiflächensolaranlagen oder Bürgerwindparks

 


Frau Rostek, welchen Beitrag kann ein Verband wie der BEE zur Energiewende leisten?

Wir vertreten die gesamte Bandbreite der erneuerbaren Technologien, und unser Beitrag besteht darin, dass wir Lösungen anbieten, wie es im Zusammenspiel tatsächlich gelingen kann, 100 Prozent Erneuerbare Energien in allen Sektoren zu erreichen. Wir sind der Dachverband der Erneuerbaren-Familie und entwickeln uns jetzt von der Dachverbandsstruktur weiter zum integrierten Zusammenschluss der einzelnen Mitgliedsverbände. Denn die Fragen der Energiewende betreffen mittlerweile nicht mehr so sehr einzelne Technologien, wie es noch in der Vergangenheit der Fall war, sondern jetzt sind viel mehr Lösungen gefragt – auch seitens der Politik –, die das Ganze betreffen. Die Frage lautet: Wie wird ein System daraus?

Können Sie das näher beschreiben?

Wir haben die mengenmäßigen Lastesel, das sind die Windenergie und die Solarenergie. Die werden im Zentrum unseres künftigen Energiesystems stehen. Aber genauso bekannt ist ja, dass es auch Zeiten gibt, in denen keine oder wenig Sonne da ist und manchmal auch der Wind nicht weht. Und in diesen Phasen ist die große Frage, wer stellt dann die Back-up-Kapazität dar? Da sehen wir uns im Erneuerbare-Energien-Bereich mit den steuerbaren Erneuerbaren gut aufgestellt: der Bioenergie, der Geothermie und der Wasserkraft. Wir haben eine Vision, die auch ein tragfähiges Wirtschaftskonzept darstellt, das im Zusammenspiel auf der Basis von 100 Prozent erneuerbaren Energien machbar ist – zumeist auch aus dem Inland. Unsere Überzeugung ist es, sich nicht zu sehr auf den Import zu verlassen.

Energie-Wirtschaft: Die Erneuerbaren Energien sind laut Rostek “schon jetzt preisdämpfend”

Welche Faktoren sind für Sie entscheidend, damit die Energiewende gelingt?

Zunächst mal ist es der Ausbau der erneuerbaren Energien. Bei den fossilen Krisen, die uns vermehrt beuteln und  Auswirkungen auf unsere Energieversorgung haben, zeichnet sich ja eines ganz klar ab: Wir kommen aus dieser Krise hinaus, wenn wir auf die Erneuerbaren setzen. Denn diese haben wir im eigenen Land, da sind wir auf niemanden angewiesen. Und die sind vor allem auch schon jetzt preisdämpfend. Sie sind jetzt schon der Weg aus der Versorgungskrise, deshalb müssen wir alles tun, damit der Ausbau noch deutlich schneller vonstattengeht. Wir brauchen den Faktor 3, um die Ziele zu schaffen.

Dazu sehe ich noch zwei weitere Facetten. Die eine wäre, dass sehr viele bei der Energiewende nur die Stromwende in den Blick nehmen. Das hat sich dieses Jahr mit den Wärmethemen erstmalig geändert. Aber da ist erst der erste Stein ins Wasser geworfen worden, jetzt heißt es dranbleiben, damit die Wärmewende im Gebäudebereich, aber auch in der Industrie und in den Wärmenetzen insgesamt gelingt. Die andere Facette  wäre das Marktdesign: Wie gelingt die Finanzierung der Energiewende? Welche Marktregeln gibt es? Welche Rolle haben die Netzbetreiber? Wie komme ich ins Netz? All diese Themen sind antiquiert, da sie noch auf ein fossiles Energiesystem abgestimmt sind. Es ist allerhöchste Zeit, dass man das System an den Quellen ausrichtet, die es künftig bestimmen sollen, nämlich an den erneuerbaren Energien.

Was wünschen Sie sich von Politik und Gesetzgebern?

Das Allerwichtigste ist, dass man allen Akteuren eine gewisse Planungssicherheit bietet. Wir erleben, dass sich die Rahmenbedingungen, auf die sich die Marktakteure einzustellen haben, doch sehr häufig ändern – und das nicht allein aufgrund von äußeren Faktoren wie Kriegen und Krisen. Aber auch dann neigt die Politik dazu, sehr schnell zu reagieren und in das Marktgeschehen einzugreifen. Das haben wir Ende des letzten Jahres mit der Strompreisbremse erlebt, die plötzlich das Geschäftsmodell von Erneuerbare-Energien-Betreibern komplett auf den Kopf gestellt hat. Das  hat natürlich auch nachhaltige negative Effekte und trübt die Investitionsstimmung massiv. Eigentlich ist die Ampelkoalition gerade mal in der Halbzeit angelangt, für uns aber heißt das, dass jetzt schon das Herzschlagfinale bevorsteht für diese Legislatur. Denn nach dem Sommer 2024 geht es schon so langsam in den Wahlkampfmodus.

Der Bürokratieabbau ist ein zentrales Thema für die Energie-Wirtschaft

Wie groß ist Ihre Sorge, dass die aktuellen und heftigen Haushaltsprobleme der Bundesregierung die Energiewende bremsen werden?

Das ist natürlich speziell im Gebäudebereich ein Problem. Hier ist es sehr wichtig, dass eine entsprechende Förderkulisse dafür sorgt, dass der Umbau gelingen kann. Nehmen wir als Beispiel die Gebäudeförderung. Natürlich ist es so, dass unsere Wärmepumpen-Hersteller die Produktion schon hochgefahren haben. Wir haben vernommen, dass die politischen Zusagen eingehalten werden sollen, darauf bauen wir auch.

Was halten Sie für das größte Hindernis bei der Energiewende?

Das ist das Thema Bürokratieabbau, speziell das Beseitigen von Genehmigungshemmnissen. Ja, die Haushaltssperre war ein Schlag vor den Bug, der im Moment für viel Unsicherheit sorgt. Aber wichtiger ist definitiv der Abbau von Hürden für den Ausbau. Dieser Aspekt hat gar kein Preisschild. Es dauert nach wie vor bis zu sieben Jahre, um eine Windenergieanlage zu errichten. Da kann man einiges an Potential heben, was nichts kostet und was auch das Investitionsklima erheblich verbessern würde.

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz “haben wir Kurs aufgenommen”

Welcher Schritt war bisher der wichtigste in der Energiewende, und wie können wir dort anknüpfen?

Wirklich positiv ist, dass man die Ziele jetzt wahrhaftig benennt und im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschrieben hat. Da haben wir Kurs aufgenommen, das war ein ganz wichtiges Zeichen. Damit einher ging auch, dass die erneuerbaren Energien ganz vorne in diesem Gesetz festgeschrieben werden, dass sie von besonderem öffentlichem Interesse sind. Das ist ein Signal in die Behörden rein, dass die Errichtung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen vorrangig ist.

Hat das bereits faktische Auswirkungen auf die Praxis?

So etwas hat immer direkte Auswirkungen. Allein, dass sich Leute auf den Weg machen. Damit sie dann auch wirklich vorwärtskommen, wäre der nächste Schritt, dass diese Ziele konsequent in die Umsetzung gebracht werden. Es hilft nichts, wenn ich sage, wir müssen dreimal schneller werden – wir müssen es halt auch tatsächlich werden. Und da landen wir dann wieder bei Themen wie dem Bürokratieabbau.

Zoomen

Nahezu jedes Gebäude könnte mit einer Solardachlösung Strom erzeugen - hier ist das schon der Fall (Foto: Bundesverband Solarwirtschaft e.V.)

Rostek: Die Energiewende bietet Teilhabe-Potential

Das Ziel des BEE lautet: 100 Prozent Erneuerbare Energie in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität. Was muss noch passieren, damit das Realität wird?

Ein weiterer Schlüssel liegt in der Teilhabe. Es ist entscheidend, dass die jetzt schon günstigen Preise der erneuerbaren Energien auch bei den Verbraucher:innen ankommen. Es gibt Subventionen von fossilen Energieträgern, die das nach wie vor verhindern. Für das Fortschreiten der Energiewende wäre es extrem förderlich, wenn die Bürger:innen noch direkter merken würden, welche Vorteile sie davon haben. Das wäre etwa das Beispiel für die Stadt. Für den ländlichen Raum wäre es, dass Bürger:innen sich direkt an Projekten beteiligen können, finanziell und ideell, um ihre Energieversorgung mit in die eigene Hand zu nehmen und davon auch zu profitieren. Das gilt auch für die Kommunen und Projektentwickler. Beispiele dafür sind Bioenergiedörfer, Energie-autarke Dörfer, Freiflächensolaranlagen oder Bürgerwindparks. Da kann man noch mehr machen.

Mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr bedeutet das, den Menschen klarzumachen, dass die Energiewende nicht nur gut für das Klima, den Geldbeutel und eine unabhängige Versorgung ist. Sondern, dass sie auch genau das Teilhabe-Potential bietet, das es bei fossilen Energien nicht gibt.

Die Energieübertragung über Netzinfrastrukturen ist ein elementares Thema bei der Energiewende. Sind wir da gut aufgestellt?

Rostek: Wenn der Ausbau schneller erfolgen soll, muss natürlich auch der Ausbau der Netzinfrastrukturen noch schneller erfolgen. Auch hier war es zunächst einmal wichtig, die Ziele für die Erneuerbaren Energien entsprechend nach oben zu korrigieren, um so auch den Infrastruktur-Bedarf beziffern zu können. Nun geht es auch hier verstärkt in die Umsetzung. Und auch hier sind Bürokratieabbau, Beschleunigung der Genehmigung und Teilhabe Schlüsselelemente. 

Frau Rosteck, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 

 

Interviewreihe: Schöne, neue Energiewelt

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